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Wie die Corona-Pandemie unsere Städte verändert

Geschlossene Geschäfte, Theatervorstellungen abgesagt und Arbeiten, wenn möglich, nur noch zu Hause. Die Corona-Pandemie hat das Leben in der Stadt schlagartig verändert. Für viele Großstädter ein Grund, die Flucht auf das Land anzutreten – oder zumindest ins Umland.


Von der Landflucht zur Stadtflucht

Deutschlands Städte wachsen seit über 30 Jahren. Besonders Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Leipzig entwickelten in den letzten Jahren eine regelrechte Sogwirkung. Mittlerweile leben 31 Prozent der Menschen in Großstädten – lediglich 15 Prozent von ihnen in Dörfern mit weniger als 5.000 Einwohnern. Die Landflucht galt in der Politik jahrelang als große Herausforderung.

Das änderte sich 2014: Das Jahr, als zum ersten Mal mehr Menschen aus Berlin, Hamburg und den fünf anderen deutschen Großstädten wegzogen als neue hinzukamen (Vgl.: Kollenbroich/Teevs/Kaiser 2016). Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Entwicklungen am Immobilienmarkt sind einer davon. Mit steigenden Einwohnerzahlen steigt auch die Nachfrage nach Wohnraum. Und der wird in Großstädten immer knapper. Was folgt, sind höhere Preise, die eine eigene Wohnung oder gar ein Haus für viele Menschen unerschwinglich machen.

Hinzu kommt die Corona-Pandemie, die mit ihren Auswirkungen wie ein Katalysator diese Entwicklung vorantreibt. Ob Kulturveranstaltungen, Shopping-Vielfalt oder Freizeitangebote – alle Vorzüge, die das Stadtleben boten, waren mit Beginn der Pandemie über Nacht verschwunden. Abstand halten, zu Hause bleiben, Kontakte reduzieren – so lautete die Devise. Eine Devise, die unsere Arbeitswelt revolutionierte. Denn plötzlich funktionierte das, was die wenigsten für möglich hielten: das Homeoffice. Der notwendige Digitalisierungsschub zwang viele Unternehmen zu einem Kulturwandel und erhob das Homeoffice binnen kürzester Zeit zur neuen Normalität.

Expansion der Städte

Auch wenn die große Mehrheit der Deutschen in Städten lebt, träumen 44 Prozent vom Landleben. (Vgl.: „Die große Deutschland-Studie“, ZDF.). Begünstigt durch die Corona-Pandemie, scheint dieser Traum für viele in greifbarer Nähe. Denn immer mehr Menschen ziehen aus der Großstadt ins Umland. Nicht andersherum. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bezeichnet diesen Prozess als neue Phase der „Suburbanisierung“ – also eine durch Stadtflucht verursachte Expansion der Städte in ihr Umland. Genau hier sind mittlerweile begehrte Lebensräume entstanden. Zwar werden Städte auch weiterhin wachsen, allerdings sind überwiegend Studenten und jüngere Menschen für diese Entwicklung verantwortlich.

Gegenentwurf zum Stadtleben

Die übrigen Gruppen zieht es zunehmend aufs Land. Dieser Effekt lässt sich weltweit beobachten. Zum Beispiel in New York. Die Einwohnerzahlen in Big Apple gehen seit Jahren zurück. Diese Entwicklung hat sich drastisch verschärft. Mit Ausbruch der Pandemie berichten zahlreiche Immobilienunternehmen, dass immer mehr New Yorker die Metropole verlassen und aufs Land ziehen. Die Immobilienpreise explodieren (Vgl.: Folgen des Corona-Schocks: New Yorker zieht es aufs Land | tagesschau.de).

Aber auch in Deutschland ist diese Trendwende längst spürbar. Rund um Berlin und Bremen entsteht aktuell viel neuer Wohnraum – in erster Linie Einfamilienhäuser und Wohnquartiere. Besonders ehemalige Stadtfamilien mit Kindern nutzen diese Chance als Gegenentwurf zum stressigen Stadtleben.

Ein weiteres Beispiel dieser Trendwende ist die Stadt Halle (Saale). Auch hier werden derzeit große Flächen für den Bau neuer Häuser vorbereitet. Auch hier entstehen überwiegend neue Eigenheime. Mit dieser Maßnahme versucht die Stadt, die Abwanderung ins Umland zu stoppen. Grund dafür ist die aktuelle Bevölkerungsprognose für die nächsten 20 Jahre. (Vgl.: Neue Bauflächen geplant: Halle forciert Eigenheimbau – Abwanderung soll gestoppt werden | MDR.DE)

Wem gehört die Zukunft?

Diese Beispiele belegen deutlich, dass der viel zitierten „Landflucht“ nun auch das Phänomen der „Stadtflucht” gegenübersteht. Doch was bedeutet das genau? Werden wir bald wieder vermehrt auf dem Land leben? Oder gehört die Zukunft der Stadt?

Wir sagen beides. Was denken Sie?