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Im Büro in Bremen-Vegesack
Es braucht schöne Orte!

Moin Philipp,

seit 2017 bist du einer der Geschäftsführer bei M Projekt und u.a. für die technische Produktentwicklung und Qualitätsstandards bei der Gebäudeplanung zuständig. Architektur ist ein spannendes Feld, auch im Hinblick auf die Verdichtung in den Städten und den veränderten Herausforderungen in Innenstädten.

Die Corona-Pandemie hat beschleunigt, was sich vorher schon abzeichnete – Städte verändern ihre Gesichter. Aber dazu kommen wir später. Erst einmal die Frage: Warum Architektur? War das ein Kindheitstraum oder wolltest du eigentlich Feuerwehrmann werden?

Philipp:
Nun, mein Kindheitstraum war es nicht unbedingt und Feuermann wäre sicher ein aufregender Beruf, allerdings war mein Vater auch Architekt und ich fand das immer toll, wenn ich ihm über die Schultern geschaut habe. Zwischenzeitlich wollte ich auch kurz mal Wirtschaft studieren, das war mir aber schlicht zu langweilig. Für mich war klar: Ich wollte gestalten.

Dijana:
Was glaubst du, wie attraktiv das Leben in der Stadt weiterhin bleibt und wie beeinflussen solche Trends Deinen Job?

Philipp:
Es muss erst einmal daran gearbeitet werden, dass die Städte überhaupt wieder an Attraktivität gewinnen. Es gibt, wie in der Bremer City auch, wenig Wohnangebote direkt in den Innenstädten. Abends und am Wochenende sind viele zentrale Lagen nahezu menschenleer. Hier muss man sich – auch im Hinblick auf das Sterben des Einzelhandels – fragen: Für wen ist die Stadt? Wie funktionieren Städte zukünftig? Was macht das Stadtleben aus? Dafür braucht es neue, langfristige Konzepte, nicht nur für den Verkehr, auch im Hinblick auf den Einzelhandel und neue Wohnkonzepte. Da gibt es teilweise auch schon sehr gute Entwicklungen in anderen Städten.

Dijana:
Was sind denn deines Erachtens gute Beispiele?

Philipp:
In Düsseldorf hat man zum Beispiel schon vor vielen Jahren den Verkehr entlang des Rheinufers in einen Tunnel verlegt, so dass man fußläufig wieder direkt ans Wasser kommt, ohne eine Hauptstraße queren zu müssen. Der öffentliche Raum hat somit enorm an Attraktivität gewonnen.

In Aarhus in Dänemark hat man sich vor einigen Jahren entschieden, den kompletten Hafen- und angrenzenden Innenstadtbereich umzustrukturieren. Gewerbebetriebe wurden umgesiedelt, Hauptzufahrtsstraßen aus der Innenstadt verlegt und auch ein altes Flussbett mitten in der Innenstadt wurde wieder freigelegt. Es entstanden auf diese Weise viele neue, attraktive Orte in der Stadt, mit einem hohen Maß an Aufenthaltsqualität. Das ist ein sehr schönes Beispiel zum Umbau einer Innenstadt, die lange Zeit vom Verkehr dominiert war. Auch in Kopenhagen gibt es dazu ganz ähnliche Beispiele.

Dijana:
Und warum gelingt das in Deutschland nur selten?

Philipp:
Die Wege sind zu lang, die Bedenken und Sorgen vor Veränderungen groß, und die Angst vor Entscheidungen wirkt oft lähmend. Der Mehrwert, der entstehen kann, wenn man sich um öffentliche Räume kümmert und ggf. auch Dinge verändert, ist für viele ja auch nicht auf den ersten Blick erkennbar. Das muss erarbeitet und erklärt werden. Und das erfordert natürlich auch ein hohes Maß an Mut, was nicht immer vorhanden ist.

In Bremen wurde vor vielen Jahren mal der sog. Parlamentsgarten umgestaltet, eine kleine, bis dahin vernachlässigte Fläche neben dem Haus der Bürgerschaft, direkt am Marktplatz. Trotz einiger Kritik aufgrund der vermeintlich hohen Kosten hat die Bürgerschaft das Projekt realisiert. Es ist ein wunderbarer kleiner Platz entstanden, mitten in der City, der zum Verweilen einlädt. Solche Orte braucht es, der Mut der Bürgerschaft hat sich gelohnt.

Dijana:
Es gibt heutzutage viel mehr Faktoren als nur gutes Design, die in die Architektur einfließen. So sollten sich eine gute Infrastruktur und das Einbinden der Natur nicht ausschließen, Klimaschutz und Stadtentwicklung sind auch Faktoren, die Berücksichtigung finden wollen. Wie plant ihr Projekte unter diesen ganzen Aspekten?  Und was hat sich in diesem Bereich verändert, seit du dein Studium abgeschlossen hast?

Philipp:
Die Themen Infrastruktur, Mobilität und Energie haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert und weiterentwickelt. Da wir bei unseren Projekten einen Vorlauf von meist mehreren Jahren haben, müssen wir natürlich vorausschauend auf solche Entwicklungen reagieren.

Das Auto wird zu Recht in seiner Bedeutung immer weiter zurückgedrängt. Aber dann muss man eben auch Alternativen bieten. Es müssen für jedes Projekt individuelle Mobilitätskonzepte erarbeitet werden.

Das Thema Energie hat sich komplett verändert. Die Standardlösung mit Heizkesseln, die Gas oder Öl verbrennen, wird es künftig nicht mehr geben. Die erneuerbaren Energien werden künftig bei der Gebäudeplanung immer im Vordergrund stehen. Energieeinsparung findet nicht mehr nur durch das Anbringen von Dämmplatten statt, sondern auch durch den intelligenten Einsatz von Gebäudetechnologien.

Bei den Quartieren sind wir eben auch wieder bei dem Thema „Orte zum Verweilen“, denn auch dort braucht es grüne Oasen und Orte, wo sich die Nachbarschaft trifft.

Dijana:
Nun weiß ich, dass du gerne nach Dänemark reist. Was fasziniert dich an diesem Land so sehr?
Abgesehen von den langen Stränden, die wunderbar zu einem ausgiebigen Spaziergang mit deinem Hund einladen, hat Dänemark ja diverse architektonische Highlights.

Philipp:
Mir gefällt die skandinavische Lebensweise, die ich mir gerne zu eigen mache, wenn ich dort bin.
Vieles findet in der Natur statt. Es ist ein unglaublich offenes Land, dass in Sachen Klimaschutz, Digitalisierung etc. viel weiter ist als wir. Und ich denke, dass man dort im Auge behält, was es bedarf, um gemeinschaftlich und gut in einem Land leben zu können. Es hat seinen Grund, dass Dänemark im weltweiten „Glückranking“ immer ganz oben mitspielt.

Dijana:
In Dänemark finden sich auch ein paar prämierte Architekturbüros mit außergewöhnlichen Projekten. So zum Beispiel C.F. Møller, die den Legocampus entworfen haben, oder Cobe, die öffentlichen Plätzen einen fast schon surreal anmutenden Charme verleihen. Wie weit darf Architektur deiner Meinung nach gehen? Darf man, wie der Architekt Julien De Smet einfach Eisberge ans Ufer in Aarhus setzen? Wo fängt Ästhetik deines Erachtens an und wo hört sie auf?

Philipp:
C.F. Møllers Entwurfsphilosophie ist es, dass es bei einem Haus in erster Linie darum geht, wie es mit seiner Umgebung interagiert. Olaf und ich konnten uns vor 2 Jahren im Rahmen einer Dänemark-Exkursion bei mehreren Projekten davon überzeugen.

Natürlich habe ich mir in diesem Jahr auch den gerade fertiggestellten Lego-Campus angesehen. Fast direkt daneben ist auch das Lego-House des Architekturbüros BIG. Während die Aufgabe bei dem Campusgebäude darin bestand, moderne, kommunikative Arbeitswelten zu schaffen, ist das Lego-House ein extrem zeichenhaftes Gebäude, das seinen Inhalt – eine riesige Lego Spielwelt – auf nahezu perfekte Wiese nach außen transportiert. Ich bin da jedes Jahr mit meiner Tochter zum Spielen und in der Regel sind wir die letzten, die das Gebäude verlassen…..

Zu den Eisbergen in Aarhus: Ja klar kann man die dort hinsetzen, aber hier gibt es leider das Problem, dass die Häuser nicht mit ihrer Umwelt interagieren. Sie wirken sehr anonym. Es ist kein Ort zum Verweilen oder zum gemeinschaftlichen Austausch entstanden. Für ein Wohnhaus sehr schade.

Dennoch darf es natürlich Eyecatcher geben. Die Elbphilharmonie ist dafür ein gutes Beispiel. Die ist so gut geworden, dass heute keiner mehr über die Kosten, aber alle liebevoll über die „Elphi“ reden.

Dijana:
Welche Rolle nimmt Design privat bei dir ein? Ich zum Beispiel finde Ittala Weingläser unglaublich stilvoll.

Philipp:
Bei uns zuhause gibt ist es ein buntes Sammelsurium von überwiegend skandinavischen Designklassikern. Von Ittala haben wir zum Beispiel einige Aalto-Vasen. Hier kommt nach fast jedem Urlaub eine Neue dazu. Von Verner Panton ist just ein Sessel in sattem Blau bei uns eingezogen – kurz: Ja, Design spielt auch privat eine große Rolle.

Dijana:
Bei einem Bauträger wie M Projekt geht es natürlich auch darum, wirtschaftlich zu arbeiten. Wie kreativ kann man sich als Architekt in standardisierten Prozessen noch austoben?

Philipp:
Wir haben keine Standard-Haustypen! Jede Bauaufgabe wird neu angegangen. Wir haben noch nie in zwei Baugebieten jeweils das gleiche Haus gebaut. Hinzu kommt, dass wir ja auch ganz viel Quartiersentwicklungen machen, wo alle Seiten berücksichtigt werden müssen – wie bereits oben beschrieben eben auch, wie das Haus mit seiner Umwelt interagiert.

Dijana:
Also bist du gerne Architekt?

Philipp:
Ja, hier gibt es so viele Dinge, die einfach sinnstiftend und erfüllend sind, auch wenn sie vielleicht nicht immer die rentabelsten Projekte hervorbringen…. Doch wenn man an Häusern vorbeifährt, die man selbst gestaltet hat, freut man sich jedes Mal, dem Stadtbild einen schönen Ort zum Verweilen gegeben zu haben.

Dijana:
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Philipp!

Philipp Romeiser, einer der Geschäftsführer der M Projekt Bremen, Architekt